Die zweite Episode von Life is Strange ließ uns in einem großen Vakuum zurück. Noch nie hatte ich mich so verantwortlich für das Schicksal eines anderen Charakters in einem Videospiel gefühlt und der emotionale Einschlag war überwältigend. Das Ende ließ einige kritische Stimmen laut werden, die den Entwicklern ankreideten, dass die Spieler mit einer solch schwierigen Situation konfrontiert und danach in der Luft hängen gelassen werden. Das Ende der dritten Episode war für mich nochmals ein Stück aufwühlender, weshalb ich zuerst eine Nacht drüber schlafen musste. Es war mir schlicht nicht möglich den restlichen Teil der Episode getrennt vom Ende zu betrachten.
Warnung: Der folgende Text enthält massive Spoiler zur zweiten Episode.
Verarbeitung
Die Geschichte geht in der dritten Episode fast nahtlos weiter und beginnt in der Nacht nach den dramatischen Geschehnissen. Ihr habt es vielleicht bereits geahnt, in meinem Durchgang hatte ich es nicht geschafft, Kate zu retten. Die szenischen Bilder zu Beginn, wieder mit fantastischer Musik untermalt, zogen mich direkt zurück in die Welt von Arcadia Bay und erzeugten eine dichte Atmosphäre. Rund ein Drittel der Episode wird dazu verwendet, den Tod von Kate zu verarbeiten. Dabei wird in Gesprächen und lesbaren Details gezeigt, wie unterschiedlich die einzelnen Personen damit umgehen. Die Anteilnahme der gesamten Schule ist überwältigend, die Zeit scheint still zu stehen.
Kein Schrottplatz
Die Geschichte besinnt sich dieses Mal auf seine Stärke, den zwischenmenschlichen Beziehungen, und liefert einiges an zusätzlichem Hintergrund zu den Charakteren. Das Tempo der Episode ist tadellos und wird nicht wie in der zweiten durch ein überflüssiges Rätsel gebremst. Zwar findet sich wiederum eine Sammelaufgabe wieder, diese ist aber sinnvoll in die Geschichte und die Welt integriert. Außerdem wird uns eine neue Art von Rätsel präsentiert, deren Lösungswege ich sehr intelligent fand.
Everyday Heroes
Anstatt immer im Halbdunkel herumzustochern, findet Max dieses Mal konkrete Beweise zu einzelnen Vermutungen, welche die Geschichte voran treiben. Die Beziehung zwischen Max und Chloe wird stark vertieft und die beiden sind in der kompletten Episode präsent. Dadurch ergaben sich wieder diese wunderbaren Situationen, in denen ich einfach eine Weile lang nichts tue, der Musik zuhöre und die Stimmung genieße, bevor ich mit der Geschichte weiterfahre. Das Spiel wirkt durch diese Momente nochmals ein Stück authentischer.
Liebe zum Detail
Nun stoße ich bereits an meine Grenzen, ein spoilerfreies Review zu schreiben. Die Erwähnung von Orten und zugehörigen Personen würden bereits zuviel verraten. Eine kleine Stimme schreit in meinem Kopf stets: „Das Ende! Patrick, das Ende!!!“ Ich hatte mich im Vorfeld bereits mit vielen Theorien und Analysen zu Life is Strange beschäftigt, aber dieses Ende hatte ich nicht kommen sehen. Das Spiel ist deswegen so wunderbar, weil es voller Details ist und die Entwickler sehr viel Liebe in die Welt gesteckt haben. Spielt man die Episoden jeweils nochmals durch und schaut sich wirklich alles an, sind Hinweise auf kommende Ereignisse erkennbar. Dadurch erahnte ich zum Beispiel bereits einen neuen Ort, welcher in dieser Episode vorkam.
Die Probleme episodenhafter Strukturen
Zurück zum Ende. Erneut haben wir es mit einem massiven emotionalen Cliffhanger zu tun und werden regelrecht erschlagen von den Ereignissen der letzten fünf Minuten. Ich begrüße es sehr, dass ein Spiel mich emotional und geistig so stark beeinflussen kann, nicht grundlos ist es ein persönlicher Anwärter auf das Spiel des Jahres, aber langsam beginne ich an der episodischen Struktur zu zweifeln. Die langen Abstände geben den Entwickler zwar Zeit auf Kritikpunkte einzugehen und die Episoden zu verbessern, aber beim Vorbild der TV-Serien werden die Ereignisse meist nach einer Woche verarbeitet. Life is Strange lässt den Spieler wochenlang hängen und gerade bei den schwierigen behandelten Themen finde ich dies leicht problematisch. Dazu gesellt sich die Frage: Sind die Entwickler verantwortlich für den emotionalen Gemütszustand der Spieler? In gewisser Weise ja, denn genau auf dessen Beeinflussung zielt der Inhalt ab. Sehr löblich fand ich deshalb das Verlinken von Selbsthilfegruppen bei emotionalen Problemen von einigen Redakteuren.
Fazit
Die Episode fühlt sich wieder mehr wie die erste an, den Charakteren wird noch mehr Tiefe verleiht und der Soundtrack ist erwartungsgemäß hervorragend. Es ist einfach durch und durch eine gute Episode, nach meinem Empfinden sogar die beste bisher. Mittlerweile konnte ich das Chaos ein wenig entwirren und habe meine Vermutungen, aber auch Befürchtungen, wohin sich die Geschichte bewegen könnte. Eines hat mich die Episode jedoch gelehrt: Die Ereignisse in Life is Strange sind nie vorhersehbar.
Diese Cross Review wurde von Patrick von indiegames.ch geschrieben. Dort findet ihr auch meine Review zur dritten Episode von Life is Strange. Schaut gerne vorbei und unterstützt die Seite.
[…] eure früheren Entscheidungen sind wichtiger denn je. Ja, die Story fängt genau dort an, wo Episode 3 endete. Wir sehen eine Rückblende und schon dort bekam ich die erste Gänsehaut. Allerdings fängt […]
Auch wenn ich absolut kein Fan von den Episoden-Games bin, hat mich Life is Strange irgendwie fasziniert.
Allein die Eindrücke, die du hier präsentierst klingen richtig super, sodass ich mein Trauma nach The Walking Dead Season 1 einfach mal überwinden muss und das Teil spielen. :D
[…] Podcasts, Partnerschaft mit games.ch und leichte Umstrukturierung des Inhaltes. Cross-Review auf keingame.de und Mithilfe an der Abschlussparty der Spielhalle […]
[…] von Christina von keingame.de geschrieben. Dort findet ihr neben vielen tollen Artikeln auch meine Ansicht zur Episode. Vorbeischauen lohnt […]