Bounty Train – In Depths Preview im Bürgerkrieg

TB Bounty Train

Seit August ist Bounty Train als Early Acces bei Steam verfügbar. Von der gamescom gab es bereist im Vorfeld erste Impressionen und Informationen zu dem Spiel von Corbie Games und Daedalic Entertainment, seit einiger Zeit konnte ich aber auch selbst Hand anlegen. Inwiefern sich Befürchtungen bewahrheitet und Wünsche erfüllt haben, ob auch ich – ohne jegliche Affinität zu Strategie-Titeln – warm mit dem Titel werden konnte, erfahrt ihr in folgender In-Depths-Preview – detaillierter und erfahrungsreicher als sein Vorgänger, aber immer noch eine Preview.


Bitte beachtet, dass, wie in dem vorherigen Artikel (in dem ihr erfahrt, was genau Bounty Train ist) auch, dies hier eine Preview ist. Noch ist das Spiel im Early Access, die Entwickler sind sich einiger Bugs und Errors bewusst und somit ist die Version, die ich getestet habe, noch keine endgültige. 


Bounty Train hat von jedem Genre ein bisschen. Anfangs hatte ich Zweifel, ob das Spiel so vielen Genres gleichzeitig gerecht werden kann, oder den Hals nicht voll genug bekam und daran kläglich erstickt. Doch gerade für Einsteiger bietet der Titel genau die richtige Mischung. Das Spiel ist in keinem der Bereiche zu fordernd oder zu komplex, durch das unausgewogene Balancing wird es dennoch zu einer Herausforderung.

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Immer wieder konnte ich mich in Sackgassen manövrieren und durch schlechtes (ich nenne es lieber gewagtes) Spielen an einem Punkt enden von dem aus ich dem Abgrund, in den ich meine Lok gefahren hatte, nicht mehr entkommen konnte und es nur noch schlimmer werden konnte. Wirtschaftssimulations-Profis und Strategie-Erfahrene werden da sicherlich weniger Schwierigkeiten haben und dem Balancing trotzen, das an so mancher Stelle eine bis dato klasse Reise ruiniert.

Nicht nur das Spiel selbst bedient sich einer Vielzahl an Genres, auch der Spieler muss mehrere Optionen gleichzeitig im Blick behalten und so agieren, dass er keine außer Acht lässt. Ein Beispiel: Um meinen Bruder in Chicago zu finden, muss ich dorthin reisen. Zuallererst habe ich also die Strecke frei geschaltet. 500 Dollar. Im Anschluss habe ich einige Quests aus den Nachbarstädten angenommen, ich sollte Güter nach Chicago fahren und das innerhalb weniger Tage. Wenn ich sie dort rechtzeitig abliefere, werde ich entlohnt. Aber erst dann. Ein Blick auf die Karte zeigte mir danach, dass Banditen auflauerten. Also habe ich einen weiteren Mann angeheuert an meiner Seite zu kämpfen. Das kostet zwischen 200 und 1200 Dollar. Als ich dann endlich los wollte, das Debakel: Für die Reise würde meine Lok knapp 11 Kilogramm Kohle verheizen, sie hat dummerweise aber nur ein Fassungsvermögen von 10 Kilogramm. Bis dahin habe ich es versäumt mir eine größere und bessere Lok zu kaufen, immerhin kostet diese über 3000 Dollar. Es musste also umgedacht werden. Die Tage vergingen und ich fuhr von Stadt zu Stadt, um auf einem anderen Weg Chicago zu erreichen. Zwischendurch wurde mein Zug von Banditen und anderen Fieslingen so sehr beschädigt, dass ich ihn in einem Bahnhof reparieren musste. Knapp 100 Dollar. Auch das kostete Zeit. Mittlerweile war die Frist meines Gütertransports verstrichen und ich musste eine Strafe zahlen. 400 Dollar. Noch einmal schnell Kohle gekauft (20 Dollar), um die letzte Etappe zu bewältigen. Wieder lauern mir Banditen auf, ich habe inzwischen kein Geld mehr, um sie zu bestechen (das würde zwischen 300 und 700 Dollar kosten) und im schlimmsten Fall würde es gleich so schlecht laufen, dass sie mich töten, meine Bahn zerstören, meine Güter klauen. Es führte kein Weg an einer Konfrontation vorbei und schlussendlich kam ich pleite, verletzt und qualmend in Chicago an. Immerhin konnte ich meinen Bruder finden. Die Zukunft hingegen sah schwarz aus. Ich hatte noch 30 Dollar. Mitunter kann Bounty Train extrem frustrierend für Strategie-Neulinge wie mich sein. Es dauerte eine Weile, bis ich ein wenig Glück hatte (d.h. die Strecken frei waren) und ich den Bogen raus hatte.

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Die Musik hingegen ist einer der Punkte, die ich bedingungslos loben kann. Sie ist sogar ein richtiger Ohrwurm und untermalt die jeweilige Kulisse passend – eine Verfolgungsjagd ist mitreißender als der alltägliche Trubel in der Stadt. Besonders die Titelmelodien haben es mir angetan. Es sind amerikanische, patriotische Lieder aus dem Bürgerkrieg (beispielsweise Glory Glory Hallelujah, dessen Melodie für ein Kinderlied ausgeborgt wurde) oder aber auch die amerikanische Nationalhymne. Corbie Games haben es sich tatsächlich zum Ziel gemacht das Spiel so authentisch wie möglich darzustellen. Nun, ich habe keine Ahnung von den Zügen der damaligen Zeit (laut Entwickler sind sie allerdings im Spiel richtig und detailgetreu nachgestellt), aber die Musik leistet einen großen Teil dazu bei mich in ein junges Amerika, zerrüttet vom Bürgerkrieg, zu versetzen. Inwiefern die Sklaverei, die Anwesenheit der Indiander und weitere Aspekte historisch akkurat dargestellt sind, sei an dieser Stelle mal egal. Ein weiterer Pluspunkt sind die witzigen Quests, die mich einige Male zum schmunzeln brachten.

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Nach mehreren Stunden und einigen Neuanfängen (dank dilettantischer Planung, unüberlegtem Klicken und/oder unausgereiftem Balancing) kann ich sagen, dass ich Bounty Train gerade wegen der Herausforderung, die es zumindest mir bietet, mag. Die Atmosphäre (eine irreführend fröhliche Stimmung gepaart mit der Euphorie der Neuen Welt, authentischer musikalischer Untermalung und nostalgischem Wild West- und Abenteuerflair) verleiht dem Spiel ein hohes Suchtpotenzial und minimiert die Frustration. Zudem erziele ich Fortschritte, was meinen Ehrgeiz geweckt hat, es den Banditen und Gegner meines Unternehmens zu zeigen.

Man muss kein Lok-Fanatiker oder Logistik-Genie sein, um Spaß mit Bounty Train haben zu können. Es reicht vollkommen, wenn man ein wenig Konzentration, Glück und Motivation mitbringt und sich darauf einlässt auch mal zu scheitern. Das Spiel ist noch nicht makellos, aber fordert den Spieler und bietet ihm gleichzeitig genug Anreiz weiter zu machen, sodass man über die Unfeinheiten hinweg sehen kann. Natürlich ist so ein Prinzip nicht für jeden, wer auf polierte Grafiken, ausgefeiltes Balancing und einen Schwierigkeitsgrad nahe der Passivität steht, ist anderswo besser aufgehoben. Jeder, der gerade 24,99 Euro über hat (ein Preis, den ich persönlich trotz allem noch nicht für angemessen halte) kann sich selbst von Bounty Train überzeugen – alle anderen sind womöglich besser dran auf den endgültigen Release zu warten.

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