Mythen und Legenden über Vampire gibt es in fast jeder Kultur. Vielleicht kommt die Inspiration wie so oft vermutet von Vlad, dem Pfähler; oder vielleicht von Überlieferungen aus der griechischen Mythologie, in denen Lamia sich nach dem Mord an ihrem Kind an allen anderen rächt und Kinder verspeist; oder von afrikanischen Sagen über den Loup-Garou, auch Soucouyant genannt, einer Werwolf- und Vampirähnlichen Gestalt; oder von keltischen Sagen, in denen die Dearg-Due von den Toten aufersteht, um sich an den Männern, die ihr Unrecht taten, zu rächen; oder vom Mandurugo, der sich nachts verwandelt und ungeborene Babies aus schwangeren Frauen saugt. Die Darstellungen von Wesen, die unsterblich sind, Blut oder anderes saugen, sich verwandeln und fliegen können, sind zahlreich. Umso interessanter ist es zu sehen, wie sich diese vielfältigen Sagen in Computerspielen wiederfinden lassen. Aber wieso sind Vampire überhaupt so verbreitet und allseits bekannt und wieso werden sie in Spielen immer wieder thematisiert und dargestellt?
Zumindest in Europa erlangte das Wesen mit Bram Stoker Berühmtheit, der 1897 Dracula veröffentlichte. Die Geschichte wurde zahllose Male adaptiert, in Filmen begegnete uns Nosferatu bereits 1922, Hugh Jackman bot uns 2004 als Van Helsing eine nicht ganz so textnahe Version wie Gary Oldman als Dracula im gleichnamigen Film aus dem Jahr 1992. Die ursprüngliche Geschichte aus dem Jahr 1897 wird in Briefen und Tagebüchern erzählt, andere so genannte Briefromane sind zum Beispiel Die Leiden des jungen Werther oder Die Farbe Lila. In Dracula wird ein junger Anwalt, Jonathan Harker, nach Transsylvanien geschickt, wo er in Draculas Schloss als dessen Gast, später als Gefangener lebt. Er entkommt, Dracula fällt in London ein, wo er eine junge Frau, Lucy, verwandelt. Deren Freundin Mina, zufällig auch Jonathans Verlobte, ermittelt. Sie, Jonathan, später auch der ominöse Dr. Van Helsing und Lucys Verlobter bekämpfen den Vampir und besiegen ihn letztendlich in Transsylvanien. Im Grunde ist Dracula eine Geschichte, die die Angst vor dem Fremden im an Einfluss verlierenden Großbritannien reflektiert. Es ist auch eine Geschichte über Männer und Frauen im viktorianischen London und entsprechende Rollenbilder. Vor allem ist es aber eine Geschichte, die den Mythos des Vampirs, dem unsterblichen Widersacher der Menschheit, unsterblich gemacht hat – welch Ironie.
Vampire sind jedoch mehr als spitze Zähne und Blut, das vom Kinn tropft. Die folgenden Spiele, für die wir vorsichtshalber Spoilerwarnungen aussprechen, demonstrieren, wie einseitig oder divers die Kreatur dargestellt wird – diese Frage werden wir im Laufe des Textes hoffentlich beantworten können – und welche Mechaniken und Thematiken sich daraus ergeben.