Die gameplay Ausstellung für Außergewöhnliches und Lieblingsbeschäftigungen

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Karlsruhe bietet neben einem Schloss, aufgerissenen Straßen und dem Bundesverfassungsgericht auch das ZKM. In dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie findet noch bis zum 6.April 2015 die Ausstellung gameplay statt. Sie vereint, was lange Zeit als gespalten galt und nie zueinander finden würde: Spiele in einem Museum. Anstatt sich die Spiele (oder dessen Entwicklung) nur anzugucken, kann man sie hier selbst spielen und abseits der 08/15 AAA-Titel auch wahre Perlen entdecken, die das Thema neu erfinden oder sich bisher völlig zu Unrecht versteckt hielten.

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Alles beginnt mit den ersten Flaggschiffen des Gamings und den ersten Gehversuchen. Hier sind nicht nur Super Nintendo und Commodore, sondern auch Amiga, Atari und deren Freunde spielbar. Leider werden die Exponate nur unzureichend beleuchtet und so wird manche Partie schnell zur Flaute und auch die kleinen Infotäfelchen sind teils schwer zu lesen. Doch das soll unseren Spielspaß und Tatendrang nicht mindern!

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Neben Urgesteinen der Branche bietet die Ausstellung auch aktuelle Technologie. So sind auf Tablets die Gewinner des AppArtAwards 2014 ausgestellt und spielbar sowie die Preisträger des A MAZE. 2014 Awards. Um Namen zu nennen, sind das allseits bekannte Nidhogg dabei, aber auch cells oder Windosill, Mobile Games, die so kreativ wie fesselnd sind und mit scheinbar minimalen Komponenten großartiges Gameplay erschaffen. Bei einigen der Exponaten kann man nur noch wenig vom Spielen in seinem eigentlichen Sinn reden, es ist mehr ein spielerisches Entdecken und Experimentieren, da viele der Exponate unsere Wahrnehmung von Sound und grafischen Elementen als Teilstück in Spielen hinterfragen und damit spielen. Ebenfalls Preisträger und im ZKM zum Ausprobieren bereit ist Choosatron, das etwas andere Text-Adventure. Im Gegensatz zu dem, was man sonst im Kontext der Videospiele darunter versteht, werden hier reelle Tasten gedrückt, um seine Geschichte fortzuspannen. So steht man am Ende mit einem Kassenzettel da, auf dem sein ganz persönliches Text-Adventure verewigt ist. Definitiv ein Highlight!

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Normaler waren hingegen Spiele wie Limbo, FEZ oder Journey ausgestellt. Die Titel sind keineswegs langweilig, sie versetzen fast in Trance und sind so kreativ und voller Ideen, dass man kaum aufhören kann den Controller zu besetzen. Auch Heavy Rain und Shadow of the Colossus haben hier zurecht ihren Platz in der Ausstellung. Fotorealismus, dichte und düstere Atmosphäre und das Hinterfragen von Gut und Böse spielen hier wesentliche Rollen. Sie interagieren mit dem Spieler mehr als dass er mit ihnen interagiert. Sie berühren den Spieler auf eine Art und Weise, wie man es Videospielen lange Zeit nicht zugetraut hat. Statt bloß Instrument des Handelns zu sein, schaffen sie Atmosphären, Gefühle und Gedanken, die mehr als reine Unterhaltung sind.

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Ganz großes Kino war zudem Long March:Restart: die Installation bietet mithilfe von vier Beamern eine 16 lange Leinwand für den 16-bit Platformer. Dieser ist sowohl an kommunistische Propaganda, als auch an stereotypisch westliche Konsumgüter und klischeehafte Asien-Symbole angelehnt. Also eine bunte Mischung, die diese spielbare Installation darstellt und als Metapher für den Heldenmythos des Langen Marsches der kommunistischen chinesischen Partei dient, dabei die Strenge und Seriosität in einen langen, doch rasanten Weg durch bunte Welten verwandelt in dem fliegende Cola-Dosen, gigantische Marios und Streetfighter-Kämpfer uns daran hindern das andere Ende des Raumes zu erreichen und unseren glorreichen Feldzug des kommunistischen Männchens fortzuführen.

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Daneben gibt es im ZKM noch weitere Installationen, die auf Größenwahnsinn schließen lassen: Der giantJoystick ist eine sportlich angelehnte Version diverser Atari-Spiele. Bedingt durch seine Größe erfordert das Spielen mit ihm mehrere Spieler, die jedoch nicht gegeneinander, sondern miteinander und als eine Person agieren. Das „skulpturale Interface“ lenke den Blick auf die Monumentalität, räumliche, perspektivische und soziale Aspekte des Gamings. So lautet der Beitext zu jenem Exponat und obwohl das stimmen mag, stößt die Praktikabilität an ihre Grenzen und ist nur eingeschränkt verfügbar.

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Erinnert ihr euch an den Teppich, den man als Kind hatte, auf dem eine kleine Stadt abgebildet war und der das Größte überhaupt war?! Room Racers lässt diese Kindheitserinnerung aufleben. Es verbindet Realität in Form von Gegenständen mit Virtualität, nämlich den Autos, die wie fahren. Mit gewöhnlichen Controllern können die Fahrzeuge über die interaktive Fläche gesteuert werden, die sich je nach Gegenständen immer wieder verändert. Die Software ist in der Lage jede Veränderung sofort zu erkennen, sodass man zeitgleich seine Gegner manipulieren kann indem man ihnen Plastikbananen oder Teddybären vor die Reifen legt. Mit bis zu vier Personen kann man so seine ganz eigenen Rennen veranstalten und sie von der Wirklichkeit beeinflussen lassen. Die Ausstellung zeigt noch weitere Multiplayer-Spiele, wie B.U.T.T.O.N. oder Fingle. Letzteres benutzt ein iPad als Spielbrett und fordert zwei Spieler auf ihre Hand- und Augenkoordination anzustrengen. Nur durch Absprache und gezielte Bewegungen kann man hier gewinnen. B.U.T.T.O.N. ist da ganz anders. Vier Spieler müssen die Instruktionen des Spiels befolgen, doch das Spiel spielt sich hier fast ausschließlich vor dem Bildschirm ab. Denn es gilt zu manipulieren und zu tricksen, um den Sieg zu erringen, denn manchmal verliert beispielsweise jeder, dessen Knopf gedrückt wurde. Das Spiel mit dem passenden Namen Brutally Unfair Tactics Totally OK Now konzentriert sich auf die Ereignisse, die rund um ein Spiel herum geschehen und setzt auf Interaktionen miteinander statt isoliertes Handeln.

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Dann wäre da noch die Painstation, deren Name Programm ist. Abgeleitet von der Playstation, kann man hier zwar auch spielen, wird bei Versagen jedoch durch Schmerz bestraft. Entsprechende Hinweisschilder neben dem Exponat weisen bereits ausdrücklich darauf hin, die Neugier ist meist aber größer. Dabei ist das eigentliche Spiel so alt wie Spiele selbst: Pong, das harmlose Spiel, welches oft repräsentativ für die Anfänge des Gamings steht, wird hier in einer modifizierten Variante dargelegt, in der der Verlust des Balls mit Peitschenhieben oder Stromschlägen gebüßt werden muss. Eben jene neue Komponente macht das Spiel emotionaler, nervenaufreibender, lässt es den Spieler noch intensiver und auf eine völlig neue Weise erleben. Die verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und Virtualität sind hier irrelevant und es wird deutlich gemacht, dass Spiele selbst auch Einfluss auf die Spieler haben – sei es nur ganz subtil oder offensichtlich und martialisch wie hier.

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Natürlich hat die Ausstellung einen Hauch (oder Windstoß) von Museumseigenarten, manchmal wirkt sie sogar gezwungen modern und wenig zusammenhängend, ein bisschen dröge und kaum passioniert. Die Spiele, Installationen und Kunstwerke hingegen, die hier ausgestellt sind, sind einen Blick wert. Zudem sei gesagt, dass die hier erwähnten Titel nur eine Auswahl dessen sind, was in der gameplay Ausstellung zu sehen und zu spielen ist. Wenn die Ausstellung selbst auch zu wünschen übrig lässt, so sind die Exponate das, was sie doch noch besonders macht.

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