Ich erzähl euch heute eine Geschichte. Ich bin Studentin, habe bisher ein unbeschwertes Leben genossen und mich nicht viel für Politik interessiert. Auf meinem Blog erschienen dementsprechend vorwiegend Themen zur Unterhaltung, nichts weltbewegendes. Aber in letzter Zeit geisterten immer mehr Themen, Kürzel durch die Medien, sodass selbst ich nicht umhin kam einmal genauer hinzuhören und zu erfahren, was die weite Welt des Internets und ihre unzähligen Nutzer beschäftigt.
Zum einen war da SOPA. Ich sage war, dabei ist es in vielen Ländern immer noch Gesprächsthema. Vielleicht fing alles mit Kim Schmitz und dem Sharehoster Megaupload und dem Begriff SOPA in den USA an. Der Stop Online Piracy Act ist ein Gesetzesentwurf, der im Oktober 2011 vom Abgeordneten Lamar S. Smith ins Leben gerufen wurde. Er soll die nicht genehmigte Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte vermeiden. Eigentlich eine clevere Idee, die eigenen Inhalte und Werke zu schützen, würde es nicht gegen das Prinzip des Internets verstoße. Im wirklichen Leben mag dieses Konzept vielleicht aufgehen, aber das Internet, das – besonders in Zeiten von YouTube, Facebook, Google und Co., – vom Teilen von Daten, Bildern und Texten lebt, zu verbieten, wäre eine gravierende Einschränkung der Freiheit, für die wir das Internet so lieben.
Auch in Deutschland fängt man an über diesen Gesetzesentwurf zu debattieren. Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sprachen sich in einer Pressemitteilung für den Entwurf aus und deuteten an, dass auch in Deutschland bald entsprechende Maßnahmen in Erwägung gezogen würden. Der Herr mit dem Doppelkinn – Ansgar Heveling – dürfte im Rahmen dieser endlosen Debatten über SOPA und Co. wohl auch jedem bekannt sein. In seinem Text provozierte und warnte er die Internetgemeinde: „Liebe ‚Netzgemeinde‘, das Web 2.0 ist bald Geschichte.“, wettert er in seinem Artikel. Und stellt die Internetgemeinde als digitale Roboter dar, deren digitales Blut in einem Kampf vergossen würde, und die vor lauter 0 und 1 die Welt um sich herum vergessen und revolutionieren wollen würden. Nach vielen Kriegsmetaphern und Aufrufen zur „Wachsamkeit der Bürger“, entwickelt sich im Kopf des Leser langsam ein Bild und man kommt dahinter, was Heveling zu verdeutlichen versucht; nämlich, dass das Internet in seiner jetzigen Form bald Geschichte sei, die digitale Gemeinde den harten und erbitternden Kampf verlieren würde und er, als „geschichtsbewusste[r] Politiker“, hätte es uns jetzt schon prophezeit. Er erinnert an die Französische Revolution von 1789, in der „die Idee des geistigen Eigentums geboren [wurde]“ und daran, dass man unabhängig von gesellschaftlichem Status und Herkunft, Herr seines geistigen Eigentums war und seine Ideen publik machen konnte. Aber jetzt, im 21. Jahrhundert haben sich die Dinge geändert. Zumindest teilweise. Heveling kündigt uns den Untergang unserer „Revolution“ an, aber wie uns die Französische Revolution zeigte, können auch noch so kleine Minderheiten etwas bewegen. 1789 mag die Grundlage für das Publizieren des geistigen Eigentums gebildet worden sein, doch 2012 wird es durch das Internet ermöglicht dieses Eigentum mit anderen zu teilen und die Bildung und Kreativität zu fördern. Unabhängig des gesellschaftlichen Status und der Herkunft. Später in seinem Artikel geht Heveling auf die große Präsenz der Piratenpartei ein, wenn es um ACTA und SOPA geht. Sie „setzen ihr Wissen nur für den eigenen Vorteil ein“, heißt es da. Das war vielleicht früher so, als Piraten noch mit Augenklappe plündernd und brandschatzend durch die Karibik geschifft sind, wie der geschichtsbewusste Mann wissen sollte. So stellt er sie als Piraten, die „via Twitter [ihre] zweite Pubertät […] durchleben“ – für mich sind es eher engagierte Menschen, die die Flagge des Schiffs der Freiheit hissen und sich für Freiheit und gegen Zensur aussprechen.
Zwar ist es wichtig, sich mit dem Begriff SOPA auseinanderzusetzen, jedoch wird ein weiteres Thema zum Thema Internet immer mehr in den Vordergrund gerückt. ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) ist ein Handelsabkommen, das ebenfalls den Schutz des geistigen Eigentums gewährleisten soll. In seiner jetzigen Form ist es zwar kein Eingriff in die nationalen Grundrechte und Verfassungen, aber dennoch eine Ergänzung. Obwohl die direkte Überwachung und Kontrolle eines Users nicht eindeutig legitimiert wird, muss der Provider jedoch auf Anfrage Daten über seine User frei geben. Damit dies möglich ist, muss Vorratsdatenspeicherung betrieben werden.
Das Problem von ACTA und SOPA liegt darin, dass man Urheberrecht auch als Mittel zur Zensur nutzen kann. Und damit nicht genug, viele fühlen sich in ihrer Kreativität eingeschränkt. Seiten, wie z.B. YouTube, die von user generated content abhängig sind, können die von ihren Usern gestalteten Remixe und Filmparodien nicht veröffentlichen. Dann heißt es überall: Dieses Video ist in ihrem Land leider nicht verfügbar. Doch die Folgen von ACTA sind im Grunde noch weitreichender.
Vor einigen Tagen wurde bekannt gegeben, dass Deutschland das Abkommen vorerst nicht unterzeichnet. Damit der Druck auf die Regierung bleibt und auch in Zukunft kein Abkommen unterschrieben wird, gingen gestern, am 11. Februar 2012 tausende Menschen in ganz Deutschland auf die Straße und demonstrierten. Es waren Menschen, die ihre Meinung kundtun und sich deutlich gegen die Ideen zurückgebliebener Politiker aussprechen wollten, die mit dem Fortschritt der Technik nicht mithalten können und die Wichtigkeit und Ausmaße des Internets noch nicht erfasst haben. Jedoch wissen nicht viele worum es geht und genau das ist auch einer der wichtigsten Kritikpunkte: ACTA wurde nicht öffentlich diskutiert. Obwohl es schon seit 2005 im Gespräch ist, kommen erst jetzt, 6 Jahre später, wo es um die Unterzeichnung und Ratifizierung geht, immer mehr Details ans Licht. Viele Demonstranten beschweren sich, dass sie nicht über ACTA informiert waren, aber, wenn Deutschland tatsächlich unterschreiben würde, die volle Härte dieses Handelsabkommens zu spüren bekommen würden.
Mit Slogans wie „bekACTA Scheiß“ oder „Freiheit ja, ACTA nein!“ marschierten sie in ganz Deutschland durch die Straßen und machten auf sich und das Problem aufmerksam. Wer ebenfalls daran interessiert ist und sich an den Protesten beteiligen möchte, hat die Möglichkeit die Online Petition zu unterzeichnen.