Videospiele sind in den letzten Jahren zu einem der populärsten und gleichzeitig zum wohl polarisierendstem Medium avanciert. Trotz vehementer Kritik wuchs die Spielindustrie und der Hype konnte nicht wirklich aufgehalten werden. Es ist an der Zeit einen Erklärungsversuch zu wagen, was Videospiele ausmacht, wieso so viele zocken und wo genau die Reize der interaktiven Spielwelten liegen. Viel zu häufig wurden Gamer in der Vergangenheit als introvertierte Versager abgestempelt, die lieber zu Hause in ihrer eigenen Welt bleiben als draußen soziale Interaktionen und frischen Sauerstoff zu erleben. Klischees wie „Amokläuferzucht“ und systematische Verdummung konnten in jüngster Vergangenheit wenigstens minimal eingeschränkt werden. Und dennoch bleibt das Phänomen, das dieses neue Medium nach sich zieht und die Frage wieso es so viele in seinen Bann zieht.
Oft sind Videospiele alles andere als real, das macht sie aus, sie bilden ein fremdes Szenario oder sind ein fiktives Abbild der Realität, das die meisten Menschen wohl nie so erleben werden. Sie geben dem Spieler die Möglichkeit in eine Fantasiewelt einzutauchen, eine Alternative zu erleben und somit seinen geistigen Horizont zu erweitern. Parallelen zur Realität gibt es dabei immer wieder, ohne sie würde es dem Spieler schwerer fallen sich mit den Figuren zu identifizieren und sich wirklich auf diese fremde Welt einzulassen. Doch ist es nun die Langeweile an unserem Dasein, der Trostlosigkeit der Welt, verzweifelnde Hoffnungslosigkeit der Moderne oder schlichte Neugier und Lust, die immer mehr Menschen dazu treibt ihre Zeit in erdachten Welten zu verbringen? Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus all dem, wenn auch nicht jeder von uns durch Virtualität aus einem tiefen schwarzen Loch zu entkommen versucht und das hier stark dramatisiert ist. Man kann dennoch festhalten, dass Videospiele durch Fantasie anziehen.
Nun ist es aber so, dass man Fantasiewelten auch in Büchern erleben kann. Spiele haben wie Literatur (meistens) eine Story, einige von ihnen verdammt viel Text, sie übermitteln Gefühle und Gedanken und können zugleich gesellschaftliche Probleme ansprechen. Genau wie ein Buch kann ein Spiel fesselnd, aber auch entspannend sein. Das, was Videospiele noch attraktiver macht, ist der Aspekt der aktiven Partizipation. Der Spieler wird Teil einer Welt, die der Fantasie eines anderen entsprang, jedoch, anstatt teilnahmsloser Zuschauer zu sein, kann der Spieler selbst bestimmen wohin es geht, seine eigene Geschichte schreiben und selbst, wenn die Story banal und linear ist, hat er das Gefühl die Kontrolle zu haben und kann selbst entscheiden was er tut. Es ist also auch Lust an der Teilnahme in Verbindung mit dem Willen nach Mitsprachrecht und zügelloser Kreativität, was Spiele zu einem der wichtigsten Unterhaltungsmedien des 21. Jahrhunderts macht.
Zusätzlich wird der Anspruch an Spiele stetig höher, nicht mehr nur das pure Erlebnis steht im Vordergrund, sondern auch potenzielle Lerneffekte und kulturelles Gedankengut werden gefordert und gleichzeitig muss man mit dem Fluss der Zeit schwimmen, um nicht im schier endlosen Meer der Videospiele unterzugehen. Neben diesen Funktionen können Spiele aber auch Kunst sein. Sie regen zum Nachdenken an, faszinieren, sind wunderschön anzusehen und sind dabei doch so divers, teilen aber das gleiche Gefühl der Fassungslosigkeit und des Beeindruckens, das sie hinterlassen. Wann Kunst beginnt und wo sie aufhört ist schwer zu sagen, ebenso wie zu deklarieren was genau Kunst eigentlich ist. Solche Fragen werfen vor allem Spiele auf, die Gewalt als Stilmittel benutzen, aber so unglaublich beeindruckend und brillant gestaltet sind, dass man sie als Kunstwerke bezeichnen möchte. Aber neben unbekannten Szenarien, werden nun mal auch neue Extreme dargeboten, welche oft grenzüberschreitend sind und meist nicht zu Unrecht von der Behörde für jugendgefährdende Medien gekennzeichnet werden. Aber auch diese Extreme wollen erlebt werden und da man im wirklichen Leben nicht ohne Konsequenzen eine Stadt zur Fleischtheke und ihre Menschen zu Hack verarbeiten kann, sind Videospiele die ideale Plattform dafür. Solche Extreme sind faszinierend und ziehen magisch an.
Videospiele können so viel sein, vom liberalisierenden Lehrer über simple Freizeitbeschäftigung bis hin zu effektvoller Kunst. Sie sind längst allgegenwärtig und viele haben sie bereits schätzen gelernt. Ob andere das bald auch tun oder nicht, ist und bleibt Geschmackssache, die Reize jedoch, die Videospiele haben, bleiben unfehlbar und ein solcher Facettenreichtum gepaart mit Entscheidungsfreiraum eine unschlagbare Mischung und der Grund warum wir Videospiele lieben.
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