Spiele in einem kontemporären Kontext zu sehen oder zu “testen” ermöglicht immer neue Sichtweisen und Denkanstöße. Unsere Ansprüche ändern sich und es ist immer interessant zu sehen, wie sich unser damaliges Lieblingsspiel heute schlägt. Diese Reihe thematisiert eben dieses Phänomen, stellt fünf Spiele vor, die ich in meiner Kindheit spielte und stellt sie nochmals auf den Prüfstand. In Teil 4 schlagen wir uns durch Heart of Darkness. Oder versuchen es zumindest.
Erst kürzlich habe ich Heart of Darkness auf Rocketbeans.tv gesehen. Natürlich musste es auch mit in diese Liste. Ein zweidimensionales Jump ’n’ Run, Action-Adventure, Arschlochspiel. Für die Playstation und PC, von Amazing Studios entwickelt und Infogrames bzw. Ocean Software vertrieben. Manchen fallen vielleicht Ähnlichkeiten zu Another World auf. Tja, das liegt an Eric Chahi, der bereits 1991 eben jenes Spiel für den Commodore Amiga schuf. 1998 erschien Heart of Darkness nach ganzen sechs Jahren Entwicklungszeit, denn die Musik wurde von einem Sinfonieorchester beigesteuert und die insgesamt 30 Minuten langen Videosequenzen mussten erstellt werden. Als das Spiel dann endlich den Markt erobern konnte, war die Grafik dann aber blöderweise schon wieder überholt. Mit vorgerenderten Hintergründen und vor allem mit sehr viel Liebe detaillierten Figuren konnte man dennoch einige Käufer begeistern.
Es ist schwer, frustrierend, aber immer wieder überraschend, clever und einzigartig. Man will alle sehen und zeitgleich weg gehen, in der Hoffnung, dass sich die schwierige Stelle von selbst spielt. Die Story ist schnell erzählt: Andy und sein Hund Whiskey beobachten nach der Schule eine Sonnenfinsternis, doch plötzlich wird der Hund von einer unsichtbaren Kraft eingesogen und entführt. Daraufhin läuft Andy nach Hause, in sein Baumhaus, geht an seinen PC auf dem er sein eigenes Betriebssystem installiert hat, krallt sich seine selbstgebaute Laserkanone und fliegt mit dem eigens zusammen gebastelten „Gefährt“ davon. Durch die Wolkendecke geht es, doch als er wieder tiefer geht, scheint er auf einem fremden Planeten zu sein, der von Schattenmonstern bevölkert ist. Im Laufe des Spiels finden sich noch weitere Bewohner der fremden Welt und Andy erkundet diverse Biotope. Was genau es mit der Entführung auf sich hat, wird auch erklärt. Die Story wird in den Cut Scenes erzählt, was der Spieler dazwischen macht, ist nur bedingt storyrelevant. Aber das ist nicht schlimm. Spaß macht das Spiel zwar auch nur bedingt, besonders, wenn man so ungehalten und ungeduldig ist wie ich, aber angesichts der schönen Level, charismatischen Gegner, smarten Rätseln und interessanten Leveln setzt man sich doch immer wieder gerne hin und spielt.
Ich weiß noch wie wir Tage lang vor dem PC saßen, Schokolade aßen, Eistee tranken und versuchten durch die Level zu kommen. Das Spiel ist nicht sehr lang, mangels Hand-Augen-Koordination hat sich das Spielen trotzdem sehr in die Länge gezogen. Die Cut Scenes habe ich kaum in Erinnerung, bestimmte Stellen dafür umso mehr. Ich weiß nicht mal, ob ich das Spiel jemals bis zum Ende gespielt habe, aber wir waren immerhin nah dran. Was mein früheres Ich von meinem heutigen Ich unterscheidet, ist die Hartnäckigkeit und Geduld. Letzteres habe ich verloren, sodass ersteres selten zum Vorschein kommt. Es macht mich wahnsinnig an den einfachsten Gegnern zu scheitern, stoße ich auf Widerstand werde ich nervös, aber motiviert, versage ich dann, werde ich frustriert, ärgere mich über mich selbst und die Ungerechtigkeit mit welcher das Spiel solche Reaktionen provoziert und ich schließe genervt das Spiel. Zum Glück versuche ich es nach einigen Minuten nochmal. So kann sich der Kreislauf mehrere Male wiederholen bis ich es dann doch schaffe. Früher oder später schafft man alles. Eigentlich schade, dass ich durch heutige Spiele so verweichlicht wurde. Früher hatte ich aber auch keinen Zeitdruck, ich konnte mir ewig Zeit nehmen. Heute drängt nicht nur eine Deadline. Mein Körper ist aufs Hetzen programmiert, alles muss schnell schnell schnell gehen, Aufgaben in Null Komma Nichts erledigt werden. Man sucht den einfachsten und schnellsten Weg, doch in Heart of Darkness gibt es nur einen und der ist hart. Um sich selbst die Geschwindigkeit zu nehmen, auf alte Werte zu besinnen, um vielleicht auch mal aktuelle Spiele mit einer alten Gelassenheit und Ehrfurcht zu spielen, lohnt es sich immer so Knüppel wie Heart of Darkness nochmal auszugraben und sich selbst zu testen. Nicht nur im Hinblick auf Gaming Skills.
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