Life is Strange – der Anfang vom Ende (Episode 1: Chrysalis)

Dieser Titel zeigt so manche Kontroversen im Videospielgenre auf und lässt sie gleichzeitig verblassen: Life is Strange bietet eine Story, die sich sehen lassen kann und Dialoge und einen Cliffhanger von dem sich so mancher teuer produzierter Titel etwas abschauen kann. Der fünfteilige Episodentitel wird, wie der Name bereits sagt, in Episoden erscheinen, die in mehrwöchigem Abstand veröffentlicht werden. Episode 1 mit dem klangvollen Namen Chrysalis (griech. für die Metamorphose bei Insekten) erschien bereits am 30. Januar 2015. Nach dem Cut erfahrt ihr alles zur Story und Gameplay von Life is Strange und was den Titel von Square Enix und Dontnod Entertainment so besonders macht.

1

Plötzliche Erkenntnisse

Mit viel Liebe zum Detail sehen wir die Blackwell Academy in Arcadia Bay – es gibt sehr viel zu Entdecken und Auszuprobieren, doch die virtuelle Reise beginnt ganz anders. Ein Sturm zieht auf und wir versuchen uns zu retten, doch bevor wir überhaupt wissen, was passiert, wacht Max auf. Sie ist die Protagonistin und erwacht benommen aus ihrem Tagtraum, der ihr so real erschien und sitzt wieder im Unterrichtszimmer bei ihrem beliebten Lehrer Mr. Jefferson, der eine kleine Gruppe Mädchen in Fotografie unterrichtet. Schon bald klingelt es zur Pause und wir führen Max auf die Mädchentoilette. Dort angekommen, wird sie Zeugin einer Handgreiflichkeit, die eskaliert. Noch während sie schockiert versucht einzuschreiten, dreht sich die Zeit zurück und sie ist plötzlich wieder im Unterrichtsraum. Als uns daraufhin die ganze Situation so bekannt vorkommt, nutzen wir diesen Vorteil für uns und schmeicheln nicht nur dem Lehrer mit den richtigen Antworten, sondern retten dem fremden Mädchen auch das Leben. Wir erkunden danach weiter den Campus, gehen unserem Leben nach, aber vereinfachen es uns mit der neu erworbenen Fähigkeit. Wir treffen alte Bekannte und treffen Entscheidungen von denen wir im Moment noch nicht wissen, wie sie sich auf den weiteren Verlauf auswirken. Wir können nur hoffen, das Richtige getan zu haben.

3

Nathan, der Kerl, der zuvor auf der Damentoilette seine schizophrenen und gefährlichen Seiten offenbarte, wird auf dem Parkplatz des Campus noch einmal handgreiflich und das fremde Mädchen, welches wir zuvor gerettet haben, rettet uns. Allerdings haben wir uns zuvor dazu entschieden Nathan dem Direktor zu melden, wäre er auch auf uns zu gekommen, wäre er nicht zu ihm geschickt worden? Wir haben uns allerdings dafür entschieden ihn anzuschwärzen und fahren also nun mit besagtem Mädchen in die Stadt und erfahren mehr über sie und andere, die wir bisher getroffen haben. Doch was wir neben unserer übernatürlichen Kraft auch erfahren, sind die Konsequenzen unseres Verschwindens, denn Max ist erst seit Kurzem wieder in Arcadia Bay, der Stadt in der sie aufgewachsen ist, die sie aber verlassen hat. Wir erlangen Klarheit über die Gefühle anderer, was uns vorher nicht bewusst war, und im Zuge dessen erhalten wir Kenntnisse über die Zustände in Arcadia Bay und was sich alles verändert hat. Zum einen treffen wir eine alte Freundin wieder. Nach unserem Verschwinden fand sie Trost durch eine weitere Freundin, doch auch diese verschwand unter mysteriösen Umständen. Zum anderen entpuppt sich so mancher Tyrann als scheinbar zartes und zerbrechliches Geschöpf, während andere ihre wahre paranoide und wahnsinnige Natur nur schlecht verbergen können. Zum Beispiel wäre da der unheimliche und schikanierende Sicherheitsmann des Campus, der scheinbar eine größere Rolle spielt, als man anfangs vermutet. Doch auch unsere Kommilitoninnen wirken zweifelhaft und anrüchig.

Am Ende der ersten Episode haben wir zwar etwas Gewissheit über unsere Tagträume und können die Taten anderer und ihre Motive erahnen, allerdings erschließt sich uns das große Ganze noch nicht und wir werden mit einem zerreißenden Spannungsgefühl zurückgelassen, das uns unseren wildesten Spekulationen überlässt. Woher diese Fähigkeit kommt, was der Tagtraum bedeutet, was alle anderen vorhaben, all dies bleibt im Dunkeln verborgen.

Der Beginn einer Reise durch die Zeit und eine Idylle, die nicht ist, was sie zu sein scheint

Ausschlaggebend ist in Life is Strange die Fähigkeit die Zeit zurück zu drehen und die Geschehnisse dadurch zu seinem Vorteil manipulieren zu können. Wir können vorherige Entscheidungen revidieren, mit unseren Zeitspielereien die unmittelbaren Konsequenzen dessen erleben, was wir tun, und einschätzen, welcher Weg uns mehr zusagt. Was dadurch allerdings in der Zukunft passiert, vermögen wir nicht zu sehen und tappen deshalb ebenso im Dunkeln, wie wir es in der Wirklichkeit tun.

2

Max als Protagonistin ist hier ebenso authentisch und glaubwürdig wie Arcadia Bay als Handlungsort für ein solch außergewöhnliches Abenteuer. Auch die einzelnen Charaktere zeugen von Tiefe und individuellen Charakterzügen, jeder NPC, mit dem wir interagieren können, weist einzigartige Merkmale auf und ist überraschend detailliert. Max selbst ist schüchtern und ruhig, durch ihre Gedanken, die sie uns mitteilt, erhaschen wir einen Einblick in die junge Frau, den sie sonst scheinbar nicht vielen gewährt. Wir können ihre Entscheidungen treffen und sie so mit Gegenständen interagieren lassen, wie es uns beliebt. Wir sind sie und dennoch hat sie eine so ausgeprägte Persönlichkeit, dass es schwer fällt sie als unsere Marionette zu sehen. Max studiert Fotografie, welches sich als Leitmotiv durch das ganze Spiel zielt. Wir können bestimmte Szenen fotografieren und unserem Journal hinzufügen und auch die Metapher der Fotografie als Möglichkeit vergehende Augenblicke festzuhalten, hat hier durchaus seine Berechtigung.

4

Life is Strange befindet sich in seinem eigenen Universum, einer magischen Welt von deren Geheimnissen wir nur die Spitze des Eisbergs sehen können. Es illustriert die Ödnis einer wunderschönen, aber einsamen Idylle, in der jeder jeden kennt und trotzdem allein ist und seine Geheimnisse versucht zu verbergen. Es ist ein Titel, der neuartig wirkt und doch vertraut. Das Spiel wird oft als modernes Grafikadventure betitelt – aber kann man diese Art von interaktivem Film überhaupt noch in jenes Genre stecken? Hier findet man ein Gegenbeispiel zu diesem Genre, das Spiele wie Life is Strange in ein anderes Licht rückt und ihnen die Möglichkeit bietet innerhalb des neuen Genres (namens Cinegame) Grenzen auszutesten und nicht zwangsläufig als schlechtes Adventure mit zu vielen Cut Scenes abgestempelt zu werden. Denn tatsächlich bietet Life is Strange dem Spieler zwar viele Möglichkeiten Dinge zu entdecken, allerdings ist man darin sehr beschränkt und das Spiel wartet mit Point and Click-artigem Gameplay auf.

5

All diese Kontroversen rücken jedoch angesichts der Story dieses Titels weit in den Hintergrund. Life is Strange hat eine so atemberaubende Story, dass es kaum etwas ausmacht nur marginal Handlungsfreiraum zu haben, denn den Weg, den man gehen muss, möchte man hier gehen. Zudem ist die Grafik hell und freundlich, man versinkt in der Welt von Max und lässt sich auf das Abenteuer ein. Die musikalische Untermalung betont diesen Aspekt noch, der Sound wirkt nicht aufdringlich, doch unterstreicht an den richtigen Stellen die Atmosphäre. Und eben diese ist in Life is Strange omnipräsent, einzigartig, aber nicht verrückt und zu abgefahren. Die erste Episode ist, zusammenfassend, ein phänomenaler Auftakt für diesen Episodentitel und verspricht so einiges.

Chrysalis endet mit einem verhängnisvollen Blick in die Zukunft und einem offenen Ende, das Lust auf mehr macht. Episode 2 „Out of Time“ soll bereits im März erscheinen, den Season Pass oder einzelne Folgen könnt ihr als Download für den PC bei Steam, für die Xbox 360, Xbox One, Playstation 3 und schließlich Playstation 4 erwerben. Falls euch bewegte Bilder mehr überzeugen können als Worte, ist hier der Launchtrailer.

Bilder: https://instagram.com/lifeisstrangegame/

4 Kommentare bei „Life is Strange – der Anfang vom Ende (Episode 1: Chrysalis)“

  1. […] keynote speakers of the PLAY conference were Raoul Barbet and Michel Koch, Co-Game Directors of Life is Strange, an episodic modern adventure that has been subjects for various discussions about games and […]

  2. […] findet ihr die anderen Episoden: Chrysalis, Out of Time, Chaos […]

  3. Nach den ganzen Lobpreisungen musste das Spiel geholt werden. Nachdem mich The Walking Dead Season 1 wirklich enttäuscht hat mit dem minimalen Gameplay und drögen Umgebungen, ist Life is Strange wirklich ein wunderbares Episoden-Game, das genügend Freiheiten zur Erkundung der Spielwelt lässt, aber auch nicht zu überbordend daher kommt.
    Bisher habe ich nur die erste Episode gespielt, aber die Story ist wirklich fesselnd, die Entscheidungen schwierig und die ganze Atmosphäre großartig!
    Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

    P.S.: Scheinbar haben wir relativ oft die selbe Entscheidung getroffen :D

    1. Ich hab mir Mühe gegeben nett zu allen zu sein :D Außer zu Nathan, aber jetzt nach Episode 3 bin ich mir echt nicht mehr sicher, wer wirklich böse und wer nur ein weiteres Opfer ist.

Schreibe einen Kommentar