Risen 2: Dark Waters

Risen 2 erschien zwar schon 2012, anlässlich Risen 3, das diesen August erscheint, ist es aber durchaus nochmal einen Blick wert: eine Erlebnisreise mit dem zweiten Teil der Rollenspiel-Saga, Meinung und Erfahrungen zum Weg zum Piratendasein in Text- und Bildform. Was macht Risen 2 aus, was macht es besser als sein Vorgänger und wieso es eine halbe Ewigkeit dauerte bis ich das erste Mal laufen konnte, erfahrt ihr nachfolgend. ACHTUNG! Dieser Artikel enthält Spoiler zu Risen 1.

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Eine Geschichte

Risen 2 – ich hatte hohe Erwartungen. Nach einem nicht ganz so erwartungserfüllendem Risen 1, ließ ich dessen Nachfolger lange in den Weiten des Internets auf mich warten, bis ich es mir – dank Humble Bundle – zu einem quasi nicht existenten Preis leisten konnte. Doch fangen wir lieber ganz am Anfang an: 2001 erschien Gothic 1, entwickelt von Piranha Bytes und veröffentlicht von JoWood. Ein zweiter Teil folgte 2002, beide sind heute immer noch Maßstab aller darauf folgenden Teile der Saga. Nach Gothic 3, das 2006 erschien, trennten Entwickler und Publisher sich, ein geplanter Patch kam nie heraus, was den Spieler dazu zwang auf Community Patches zurück zu greifen, um ein spielbares Erlebnis zu erhalten, das nicht an allen Ecken und Kanten fehlerbehaftet war. Das offizielle Gothic 4 (Arcania, 2010) ist mir hier nur aufgrund der Vollständigkeit eine Bemerkung wert, Publisher JoWood hat damit sprichwörtlich in das stille Örtchen gegriffen, wo Arcania noch heute darauf wartet von mir zu Ende gespielt zu werden.

Ein Höllentrip im Inselparadies

Risen 1 hingegen, bei dem Piranha Bytes den Publisher Deep Silver mit an Bord holte, sprach mich deutlich eher an, wenn es auch enttäuschend klein und kurz ausfiel. Als dann später Risen 2: Dark Waters angekündigt und sogar auf der Gamescom 2011 vorgestellt wurde, war ich Feuer und Flamme. Und da sind wir wieder am Anfang unserer Reise. Ich startete Dark Waters voller Vorfreude. Mit nur minder gesenkter Begeisterung sah ich die ersten Szenen. Es ist ok, dass es aussah wie aus 2006, die Grafik kann man ja hochschrauben. Dachte ich. Diese Gedanken schob ich relativ schnell bei Seite, denn die gezeigten Bilder, das sich nähernde Schiff und dessen Untergang, waren wie aus dem Piraten-Rollenspiel-Bilderbuch. Irgendwann sah ich auch den Startbildschirm. Das Spiel begrüßte mich mit der gleichen Musik wie Risen 1, einem thematisch passendem, gleichzeitig nichts aussagendem Hintergrundbild und ebenso langen Ladebildschirmen wie sein Vorgänger es bereits tat. So weit so akzeptabel.

Nun muss ich zugeben, ich bin ein Mensch, der es nicht mag, wenn von Plänen abgewichen wird. Mein Plan war es Risen 2 zu spielen. Allerdings brachten die ersten paar Minuten erneute Enttäuschung und Skepsis mit sich. Es lagte überall und es zeigte sich wie sehr die Engine Nvidia Grafikkarten hasst, kein einziger Schritt war ohne Unterbrechung möglich. Nach scheinbar endlosen Stunden in denen ich neue Treiber installierte, in den Grafikkarteninstellungen rumpfuschte und jede mögliche Kombination an Grafikeinstellungen, die das Spiel bietet, ausprobierte, brachte ich das Spiel in einen spielbaren Zustand und mein Hass auf die Entwickler ließ nach, denn ich konnte mich auf das Spiel konzentrieren und es fast so genießen wie es wohl gedacht war, anstatt mich mit einer Landschaft und Texturen genügen zu müssen, die nur ein weiteres Mal das Gothic-Feeling wieder belebten.

Aufbruch in neue Gefilde

Der namenlose Held ist uns schon aus dem ersten Teil bekannt und die Geschehnisse knüpfen an, spielen jedoch ein paar Jahre später. In diesen Jahren hat sich viel verändert, beispielsweise ist der Gebrauch von Schusswaffen nun envogue, ebenso das Trinken von Rum bis zum Delirium. Nach den ersten paar Stunden Einführung in das Genre und Spiel folgt ein Inselwechsel und unser namenloser Held verfolgt sein eigentliches Ziel, den Titanen Mara zu besiegen. Schon in Risen 1 besiegten wir einen Feuertitan, Mara kommt jedoch aus dem Wasser und hetzt uns jede Menge Wasserkreaturen auf den Hals. Wir gehören zu Beginn immer noch der Inquisition an, entscheiden uns aber undercover zu gehen und Pirat zu werden, um eine Waffe gegen das Ungeheuer zu finden, das die Meere der neuen Welt bedroht. Aufgrund unserer unglaublich schlauen Idee einen Feuertitan frei zu lassen, wurde die alte Welt zerstört und jeder segelt mit dem nächstbesten Schiff voller Hoffnung gen Horizont.

Auf unserem Weg treffen wir auf alte Bekannte aus Risen 1: gleich zu Beginn muss Patty von uns errettet werden und ist wieder einmal auf der Suche nach ihrem Vater, Kapitän Stahlbart. Letzteren finden wir dieses Mal aber relativ schnell und ungeachtet der Tatsache, dass wir eben noch Mitglied der Inquisition waren, schließen wir uns ihm an. Nach unserer Einführungsinsel – der Insel auf der wir als erstes landen und auf der wir noch sehr sanft und offensichtlich in das Spiel eingeführt werden – scheint das richtige Spiel los zu gehen: wir suchen einen miesen Verräter und die Waffe, derer er sich angenommen hat. Doch auch nach vielen Stunden am nächsten Ort, zahlreichen erledigten Quests, erlernten Fähigkeiten, geschlossenen Freundschaften und verstärkten Feindschaften, ist das Spiel noch nicht zu Ende. Nach einer dramatischen Wendung beschenkt uns das Spiel mit großem Handlungsfreiraum und unsere Suche nach einer Lösung geht weiter!

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Die Handlungen des Spieler nehmen mal mehr mal weniger Einfluss auf den Spielverlauf, oft entpuppen sich die gegebenen Freiheiten als Pseudo-Entscheidungsfreiheiten: verschiedene Antworten in Dialogen führen manchmal doch zu dem gleichen Ergebnis. Da dachte man sich wohl: merkt ja eh keiner, wer lädt schon neu, um zu gucken was bei einer anderen Antwort passiert?! Ich. Und es passierte das gleiche, war mir dann aber auch egal, denn zu meinem Nachteil war es nicht. Außerdem kann man, wie in jedem guten Rollenspiel, wählen welche Fähigkeiten man als die Besten erachtet. Ob man sich nun mit Gerissenheit und Diebstählen durchschlägt, schwarze Magie benutzt oder doch lieber auf kaltes Eisen setzt, ist dem Spieler überlassen. Ans Ziel kommt man mit allen Kombinationen, ebenso mit jeder Fraktionen, der man sich im Laufe des Spiel anschließen kann. Voodoo mit den Eingeborenen des Shaganumbi-Stammes funktioniert ebenso gut wie Musketenkrawall mit den Protektoren der Inquisition. Ich habe mich den Shaganumbi angeschlossen. Voodoo ist mal was neues, zudem kann man – laut Ladebildschirm – an ihren Kesseln Tränke brauen. Erfahrungsgemäß funktioniert das in Gothic und Risen vorzugsweise mit Kräutern und als fleißiger Sammler, der ich nun mal bin, habe ich jedes Kraut und Grünzeug mitgenommen, das mir bis dato über den Weg lief (bzw. über das ich lief) und wollte, dass mein Eifer nun auch belohnt wird.

Risen 2 offenbart ein großes Repertoire wirklich witziger Quests, die das Spiel sehr abwechslungsreich gestalten. Man kommt dabei auch relativ schnell voran, wird aber immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Der Schwierigkeitsgrad ist anpassbar, auf dem voreingestellten Level wird es für Anfänger jedoch ein wenig zu schwierig sein, für Kenner des Genres und erfahrene Abenteurer hingegen ein locker-flockiges Vorankommen. Voraussetzung sollte mindestens Risen 1 sein, da es viele Referenzen zum Vorgänger gibt und die Story an diese anknüpft.
Hier und da hat das Spiel einige fragwürdige Momente: solange man nicht dabei erwischt wird wie man verschlossene Türen knackt, interessiert es niemanden, ob sie plötzlich offen stehen. Der Vorteil dieses Mankos liegt auf der Hand: es ist möglich die Kapazitäten dieser „Fehler“ optimal auszunutzen und sich Reichtum anzuhäufen und gelassen kriminellen Machenschaften nachzugehen.

Inhaltliche und technische Fehler trüben zeitweilig die Illusion der Schifffahrtsromantik

Nun stellt sich allerdings die Frage, ob das Spiel trotz mangelnder Grafikqualität und diverser inhaltlicher Fehler Spaß macht, denn das ist es worauf es bei einem Spiel letztendlich ankommt. Trotz der anfänglichen Ärgernisse muss ich sagen, dass mir das Spiel tatsächlich gefallen hat. Risen 2 geleitet durch ein spannendes Abenteuer, dem es nicht an Tragik, Spannung und Witz mangelt. Es hat alles, was eine gute Story ausmacht und beeindruckt beim Spielen immer mehr, da es immer wieder etwas neues aus dem Ärmel zaubert. Diesen positiven Effekt erreicht man allerdings eher wenn man sich ohne genaue Kenntnisse des Plots dem Spiel widmet, sodass nicht jede Überraschung vergebens ist.

Doch Inhalt allein reicht für ein Spiel nicht, es muss auch ästhetischen Ansprüchen genügen. Risen 2 bietet allen, die gerade mal nicht selbst in die Südsee fahren können, ein ordentliches Angebot an Schifffahrts- und Abenteurerromantik, Schiffe, die gen Sonnenuntergang segeln, Mauerwerke im Mondschein und unbefleckte Natur. Leider unterscheiden sich die Inseln kaum, sie alle sehen zwar schön aus, sind aber kaum voneinander zu trennen. Auch das Sounddesign vermag nicht zu sagen um welchen Teil der Karte oder um welches Spiel es sich handelt. Die Melodien sind stark an Risen 1 angelehnt, in der Tat hat man den Eindruck, dass so manches ohne weitere Überarbeitung übernommen wurde, dennoch untermauern die Geräusche häufig subtil die Stimmung ohne explizit aufzufallen. Hinzu kommt eine erstaunlich reale Geräuschkulisse, fast hat man den Eindruck selbst durch das feuchte Gras zu schleichen, nachts scheint das grelle Zirpen unsichtbarer Grillen aus dem eigenen Garten zu kommen. Aber auch nur fast. Die Sprecher überzeugen, die Synchronisation mit den unechten Bewegungen der Charaktere hingegen lässt stark zu wünschen übrig. Risen kann also nicht nur visuell (abgesehen von Grafikmängeln) überzeugen: auch das Sounddesign ist nicht von schlechten Eltern, wenn auch bei allem Verbesserungsbedarf besteht und man von anderen Spielen deutlich besseres gewohnt ist.

Obwohl es sich um ein Piratenrollenspiel handelt, kann man leider nicht selbst schippern, aber als Kapitän muss man das auch nicht, dafür gibt es Crewmitglieder, die, während der Spieler einen schwarzen Bildschirm sieht, das Schiff sicher zum nächsten Zielort manövrieren. Segeltouren auf eigene Faust bleiben dem Spieler also vergönnt. Nichtsdestotrotz ist das schöne an dem Spiel, dass man auch mal die wenigen Freiheiten, die man hat, genießen kann und nicht zwangsläufig Hauptquests abarbeiten muss, die den Plot voranbringen. Auch ein Spaziergang am Strand birgt viele Geheimnisse und bringt Schätze, Ruhm, Gold und neue Aufgaben.
Alles in allem saß ich nun rund 40 Stunden an dem Spiel, was ich bei dem aktuellen Preis von 19,99 Euro als durchaus angemessen erachte. Wie bei fast jedem Rollenspiel kann man natürlich auch nur die Hälfte dieser Zeit investieren oder aber auch das Doppelte.

Betrachtet man all diese Vor- und Nachteile, die gelungenen und die vermurksten Elemente in dem Spiel, erhält man den Gesamteindruck eines soliden Rollenspiels à la Gothic, das vergebens versucht an alte Maßstäbe anzuknüpfen, aber dennoch einen steigenden Werdegang vorzuzeigen vermag. Risen 2: Dark Waters ist voll und ganz ein Piranha Bytes-Spiel und hat seinen ganz eigenen Charme. Und obwohl vieles hätte besser gemacht werden können, ist es keinesfalls vertane Zeit.

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